Schon länger weiß man, dass Amyloid-Beta, ein körpereigenes Eiweiß, im Gehirn eine zentrale Rolle für die Auslösung der Alzheimer-Erkrankung spielt. Lukas Busch, ein Doktorand in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Bernd Bufe hat am Standort Zweibrücken der Hochschule Kaiserslautern, neue Rezeptoren entdeckt, die viele verschiedene Amyloid-Beta Varianten erkennen und daher maßgeblich das Erkrankungsgeschehen beeinflussen könnten.
Das Gehirn hat sein eigenes Immunsystem. So genannte Mikrogliazellen durchforsten das Denkorgan auf der Suche nach Eindringlingen oder Verletzungen. Treffen sie auf für das Gehirn schädliche Stoffe, werden sie aktiv und sorgen für Entzündungsprozesse. Dieser Mechanismus ist eigentlich eine gute Sache für die Abwehr von Krankheitskeimen und Giftstoffen. Doch wenn Mikrogliazellen auf Ablagerungen des körpereigenen Amyloid-Beta Eiweißes treffen, führt die Entzündung zu unwiderruflichen Schäden im Gewebe des Gehirns. „Wenn das passiert, wird ein Teufelskreis an Schädigungsreaktionen ausgelöst. Nervenzellen gehen kaputt und es kann zu einem regelrechten Lochfraß im Gehirn kommen“, erklärt Prof. Dr. Bernd Bufe den Vorgang. Die genauen Ursachen warum Amyloid-Beta diese Schädigung auslöst ist bislang nur teilweise verstanden. Von Amyloid-Beta gibt es mehr als hundert Varianten, von denen bislang nur zwei bis drei gut untersucht sind. „Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, dass es sehr wichtig ist, insbesondere die wenig untersuchten Varianten genauer anzuschauen“, bemerkt der Forschungsgruppenleiter. Die Forschungsgruppe hat nämlich drei Rezeptoren identifiziert die besonders viele dieser Varianten erkennen können. Einige davon kommen sogar noch viel häufiger im Gehirn vor als die bislang gut untersuchten Formen. Derzeit ist die genaue Rolle der Rezeptoren im Gehirn noch unklar. Die Forschungsgruppe vermutete das folgende Szenario, in dem einer der neu gefundenen Rezeptoren (FPR1) nach dem Kontakt mit Amyloid-Beta Entzündungsreaktionen auslöst, während ein anderer Rezeptor (FPR2) vermutlich bei der Eindämmung von Schäden an den Nervenzellen des Gehirns hilft. Leider reagiert dieser laut der Messdaten der Arbeitsgruppe erst bei größeren Mengen von Amyloid-Beta, daher kann im Körper vorher schon viel Schaden entstanden sein. Deshalb könnte es sinnvoll sein, den hilfreichen Rezeptor medikamentös zu aktivieren und den schädigenden Rezeptor zu blockieren, um die Immunreaktion im Gehirn einzuschränken. Über den dritten Rezeptor (FPR3), ist derzeit so gut wie nichts bekannt. Da er im Gehirn nicht vorkommt, ist seine Beteiligung an Alzheimer erst in späten Erkrankungsphasen möglich. Für die weitere Untersuchung dieser Rezeptoren in Zellmodellen findet die Arbeitsgruppe am Hochschulstandort Zweibrücken der Hochschule Kaiserslautern nahezu ideale Bedingungen für solche Arbeiten vor. „Unsere Laborausstattung in der Arbeitsgruppe kann sich mit der von Leibnitz-Instituten messen“, ist Prof. Dr. Bufe überzeugt. Auch Doktorand Lukas Busch hat hier studiert. „Der Studiengang Applied Life Sciences an der Hochschule Kaiserslautern ist top modern und bereitet einem auf viele Berufsfelder vor. Meine Studienkollegen arbeiten inzwischen bei so renommierten Firmen wie Biontech oder Boehringer.“ Deshalb haben die Zweibrücker Forscher die Reaktion der Rezeptoren bislang vor allem in Zellkultur-Versuchen untersucht. In der nächsten Phase ihres Forschungsprojektes werden sie vor allem versuchen, ihre Erkenntnisse in Mausmodellen zu bestätigen. Wenn alles gut läuft, könnte am Ende ein Medikament stehen, das die Entstehung von Alzheimer aufhält oder verlangsamt. „Studien von Kollegen zeigen bereits im Tiermodell ermutigende Ergebnisse. Deshalb beantragen wir gerade Gelder für weitere Forschung“, erklärt Prof. Dr. Bufe, „doch es ist leider in Deutschland zunehmend schwierig, Tierversuche genehmigt zu bekommen.“ Natürlich empfinde er es als sinnvoll, die Tiere so weit wie möglich zu schonen, doch neue extrem strenge Antragsverfahren und lange unflexible Genehmigungsverfahren machten es den Wissenschaftlern in der Bundesrepublik zunehmend unmöglich, ihre Forschung in Tiermodellen weiterzuführen. „“ Ich kenne einige Kollegen, die dieses Jahr ihre Tierversuchshaltung aufgeben müssen, da sie den bürokratischen Aufwand und die hohen Kosten nicht mehr bewältigen können, obwohl diese Experimente auch in den nächsten Jahrzehnten für die Medikamentenentwicklung unverzichtbar sein werden “ sagt Prof. Bufe. Deshalb ist es erfreulich, dass es der Arbeitsgruppe bereits gelungen ist, die renommierte Forschungsgruppe von Prof. Dr. Frank Kirchhof vom Universitätsklinikum Homburg/Saar für eine Zusammenarbeit zu gewinnen, Gemeinsam planen sie, Entzündungsprozesse, wie sie für Alzheimer typisch sind, direkt im lebenden Mausgehirn zu beobachten und durch Gabe von Rezeptorwirkstoffen die Entzündungsreaktionen zu lindern.